19 Uhr Einführungsgespräch in der Klosterbibliothek
Elina Albach, Kristian Bezuidenhout
Helga Heyder-Späth Moderation
Kurz nach 1800 liegen im Erstdruck 2×24 Präludien und Fugen als Das Wohltemperierte Clavier vor. Die enormen spieltechnischen Anforderungen – als Klavierschule für Bachs Kinder komponiert – faszinieren damals alle berühmten Virtuosen, die damit ihre Konzertprogramme attraktiv machen. Kurios und bildhaft sind viele dieser Stücke. Nichts weniger als Pferdegalopp kommt vor – klar, Reiten kann und schätzt damals jeder.
1820 erscheint die Chromatische Fantasie und Fuge in neuer Ausgabe. Der Herausgeber eröffnet sie mit einer Bezeichnung ihres wahren Vortrags, wie derselbe von J. S. Bach auf W. Friedemann Bach, von diesem auf Forkel und von Forkel auf seine Schüler gekommen. Unabdingbar seien Sauberkeit, Leichtigkeit und Freiheit des Vortrags.
In der 1. Hälfte des 19. Jh. begeistert die Chromatische durch extreme Virtuosität und wilde harmonische Überraschungen. Schnell ist sie das meistaufgeführte Klavierwerk Bachs – fester Bestandteil im Repertoire gefeierter Pianisten wie Giacomo Meyerbeer, Fanny und Felix Mendelssohn, Clara Schumann, Frédéric Chopin, Sigismund Thalberg und Franz Liszt.
Heftiger Streit entbrennt über die Ausführung der in weißen Noten notierten Arpeggios in der Fantasie. Mendelssohn trug sie brillant vor, indem er alle Brechungen durch mehrere Oktaven ausführte.Einige meinten es sei außerordentlich und klänge wie Thalberg (innovativster Pianist dieser Jahre). Der Herausgeber dazu: Aus Mendelssohns Vortrage der chromatischen Phantasie sehe ich, dass er von der Wahrheit weit entfernt ist. Darauf Felix amüsiert und selbstbewusst an Fanny: Ja, die Arpeggien in der chromatischen Fantasie sind ja eben der Haupteffek, wie die Kölner sagen. Ich erlaube mir nämlich die Freiheit sie mit allen möglichen Crescendos und pianos und ff’s zu machen, Pedal versteht sich, dazu die Baßnoten zu verdoppeln, ferner die kleinen durchgehenden Noten am Anfang des Arpeggios zu markiren, ebenso die Melodie-Noten wie es gerade kommt und dann thun die Harmoniefolgen auf den dicken neuern Flügeln prächtig wohl. Die Leute schwören das sei gerade so schön wie Thalberg, oder noch besser. Zeig aber dies Rezept Niemanden, es ist ein Geheimniß, wie alle Hausmittelchen. Elina Albach am Cembalo und Kristin Bezuidenhout an einem originalen Érard-Flügel – Mendelssohns Lieblings-Instrument – liefern direkten Vergleich.
In vielen seiner Klavierwerke wie den Liedern ohne Worte und den Kinderstücken öffnet Felix neue Türen. In der D-Dur-Fuge Aus Sechs Präludien und Fugen huldigt er Bach. Unüberhörbare Vorlage ist die D-Dur-Fuge aus dem WK I.
Wie spielte Felix Mendelssohn Klavier? In Tempo und Dynamik beweglich, Details verdeutlichend, erzählt Wilhelm von Wasielewski, der am Leipziger Konservatorium – von Felix gegründet – dessen Schüler war. Unterhaltsame Details gaben seinem Vortrag Spannung, denn langweilig verabscheute er. Ignaz Moscheles improvisiert in einer Abendgesellschaft. Mit lautstarkem Gähnen am Ende meint Mendelssohn: langweilig!
1840 schreibt Clara Schumann ihrem Mann: Seit ich die Cis moll Fuge (WK, Teil 1) neulich von Mendelssohn gehört ist mir ein neues Licht aufgegangen, wie sie müssen gespielt werden.
Nepomuk Schelble, bei dem Mendelssohn während eines Besuches in Frankfurt sein Pedalspiel verbessert, ist wie viele Zeitgenossen verrückt auf Bach. Weil nicht viele Zugang zu einer Orgel haben, bearbeitet er einige Choralvorspiele für Klavier zu vier Händen – spielbar sogar für Laien.
Konzert ohne Pause. Veranstaltungsende ca. 21:30 Uhr